top of page

Raus aus der Komfortzone - hin zur Aufmerksamkeit!

Aktualisiert: 30. Mai 2022

Wo ist denn wieder dieses blöde Handy? Ich hatte es ganz sicher auf die Kommode im Flur gelegt, da liegt es aber nicht mehr. Mittlerweile sind 10 Minuten mit der erfolglosen Suche vergangen. Alle Taschen, Schubladen und Schränke durchwühlt. Sogar meine Tochter sucht mit, aber das Handy bleibt verschwunden. OK. Dann bin ich heute eben nicht erreichbar, ich muss jetzt sofort los, sonst komme ich zu spät zur Arbeit. Also schnappe ich mir meinen Schlüssel (der liegt da, wo er immer liegt) und gehe zum Auto, mit entsprechend schlechter Laune.



Bilder: Pexels - /Natasha Fernandez/ Lucas Pezeta


Warum finde ich mein Handy nicht? Die Erklärung ist ganz einfach: In dem Moment, als ich es ablegte, war ich mit meinen Gedanken woanders. Daher konnte sich mein Geist nicht merken, wo ich es ablegte.


Tücke der Komfortzone


Wenn ich etwas im Schlaf machen kann, dann mache ich das auch. Meine Gedanken sind irgendwo, nur nicht im Jetzt. Daher merke ich gar nicht, wie ich den Kaffee trinke und bin überrascht, wenn ich einen weiteren Schluck nehmen möchte und die Tasse plötzlich leer ist. Mein Körper hat alle nötigen Schritte unbewusst ausgeführt, um die Tasse Schluck für Schluck zu lehren. Ich erinnere mich nur nicht daran.


Unser Gehirn ist eine faule Socke und das ist gar nicht böse gemeint. Es will uns helfen, die tägliche Informationsflut zu bewältigen. Also automatisiert es Dinge, die wir oft machen, um Platz für andere Eindrücke zu schaffen. Und so sitze ich manchmal im Büro und frage mich, wie ich hier her gekommen bin. Da ich schon Tausende male ins Büro gefahren bin, hat mein Gehirn die Autofahrt einfach automatisiert. Lohnt sich nicht, sich daran zu erinnern, ist doch eh immer gleich.


Durch diese Automatisierung kommt es auch zu merkwürdigen Situationen. Stellen wir uns vor, dass wir jedes Mal, wenn wir nach Hause kommen, „Schatz, ich bin zurück", rufen. Und der Schatz antwortet „Hallo“. Macht man das regelmäßig über einen längeren Zeitraum, kann Folgendes passieren. Wie immer betritt man das Haus mit den Worten "Hallo Schatz" und es folgt das übliche "Hallo". Wenig später merkst du, dass dein Schatz gar nicht zu Hause ist. Wer hat dir da geantwortet? Sind Einbrecher im Haus? Nein, die Antwort liegt in deinem Kopf. Die faule Socke geht davon aus, dass auch diese Begrüßung wie immer abläuft und signalisiert dem Ohr, dass es das Hallo deines Schatzes schon mal abspielen soll. Es kommt ja eh und du hörst es daher ganz deutlich - aber eben nur in deinem Kopf.


Hört sich vielleicht abwegig ab. Aber wenn man einen Menschen mit Tinnitus fragt, wird er dir sagen, dass sich das Brummen und Summen im Ohr völlig real für die Person ist, auch wenn sie es nur selbst hört.



Erstaunlich, was unser Gehirn einem (vorgaukeln) kann


Wie bekommst du die faule Socke, also dein Gehirn, dazu aufmerksam im Hier und Jetzt zu sein? Und was bringt es, dass manchmal ganz bewusst zu machen? Schließlich bedeutet das Verlassen der Komfortzone das Eintauchen in unbekannte Gewässer. Ich schwimme in einem Teich, dessen Grund ich nicht sehen kann. Ich kenne nicht die Tiefe, nicht die Fische, die darin schwimmen. Das macht mich unsicher, vielleicht macht es mir auch Angst.


Gar nicht cool. Wofür soll das gut sein?


Verlassen der Komfortzone


Nun, das Verlassen der Komfortzone schüttet Adrenalin aus. Körper und Geist werden dadurch wach und aktiv. Denn etwas Neues erfordert Aufmerksamkeit, du musst dich konzentrieren.

So, als würdest du das erste Mal auf Inlinern fahren. Da bist du aufmerksam und denkst nicht an die Präsentation, die du halten oder die Kinder, die du später abholen musst. Du bist im hier und jetzt, um nicht auf die Nase zu fallen. Damit wird das Gehirn ordentlich gefordert. Es lernt und bildet dadurch neue Neuronen.

Das kann man sich bildlich als Trampelpfad vorstellen. Gehst du jahrelang denselben Weg auf einer Wiese, entsteht fort ein Pfad, auf dem kaum noch Gras wächst. Verlässt du diesen, musst du erst durch höheres Gras und du kannst den Untergrund schlecht erkennen. Aber auch hier würde sich durch die ständige gleiche Nutzung ein neuer Trampelpfad bilden.


Und hier liegt der Sinn. Durch das Verlassen der Komfortzone lernst du, bietest du deinem Hirn Anreize zu wachsen und um das Hier und Jetzt bewusster wahrzunehmen. Im Job lässt uns konzentriertes Arbeiten in einen Art Flow kommen, in dem die Arbeit einfacher und schneller von der Hand geht.


Stillstand ist der Tod (jeder Kreativität)


Als ich während meiner Schulzeit Essen auf Rädern ausfuhr, kam ich in Kontakt mit vielen alten Menschen. Ich war sehr erstaunt, auf welch unterschiedlichem geistigem Niveau diese waren. Eine Frau mit fast 90 war wesentlich fitter als zwei Männer, die fast 20 Jahre jünger waren als sie. Ich unterhielt mich mit ihr und fand heraus, dass die 90-Jährige mit ihrem Mann zusammen lebte, sich täglich in der Tageszeitung über aktuelle Geschehnisse informierte. Sie ging regelmäßig in die Stadt zum Bummeln und einkaufen und besuchte noch immer kulturelle Events. Ihre Kinder und Enkel besuchten sie regelmäßig.


Dagegen lebten die beiden Männer bereits viele Jahre alleine. Sobald sich die Türe öffnete, kam jedem Tag der gleiche Spruch: "Fräulein, heute sind sie aber spät dran". Beim ersten Mal entschuldigte ich mich. Am zweiten Tag änderte ich meine Route und belieferte die Männer zuerst. Ich war eine Stunde früher dran wie sonst. Als sich die Tür öffnete, man ahnt es schon: "Fräulein, heute sind sie aber spät dran".

Als ich das meinen Kollegen erzählte, lachten sie, denn sie kannten sie natürlich schon. Sie sagten immer diesen Spruch auf. Ich war oft die einzige Person, die sie an diesem Tag sahen, ihre einzige Abwechslung. Ihre sozialen Kontakte beschränkten sich auf Arzt, Essen auf Rädern und den ambulanten Dienst. Es war egal, wann ich kam, es war immer zu spät.


Die Geschichte der alten Männer zeigt deren Festgefahrenheit, ihre mangelnde Abwechslung. Nicht ganz so extrem, aber ähnliche Verhaltensmuster zeigen viele Menschen heute.


Sie reproduzieren einfach rund die Hälfte ihrer Gedanken und ihres Verhaltens vom Vortag. Das ist einerseits bequem, andererseits liegen im gegenwärtigen Moment alle Möglichkeiten der Welt. Sind wir nicht im hier und jetzt, sondern in der Vergangenheit oder träumen von der Zukunft, erkennen wir Möglichkeiten nicht, weil wir uns so an unsere Einschränkungen gewöhnt haben, dass wir sie für normal halten. Treten wir aus unserer Komfortzone heraus, erschließen sich uns alleine dadurch neue Möglichkeiten, weil wir sie sehen.



Freispruch für die Komfortzone


Soll ich also immer aufmerksam sein? Immer in der Gegenwart?

Ja, wenn man als buddhistischer Mönch das Erwachen anstrebt, ist es genau das Ziel, dass sie mit jahrelangem Training vielleicht eines Tages erreichen.

Für die Nicht-Mönche unter uns ist es nicht schlimm, in seine Komfortzone abzutauchen. Das kann eine Zeit sein, in der wir uns sicher fühlen wollen und nicht groß nachdenken müssen. Hier können wir Energie sammeln, um für die Zeiten der Wachheit und dem Ausstieg aus dem Alltagstrott fit zu sein.

Es geht hier also um eine gesunde Balance zwischen Aufmerksamkeit und Komfortzone zu finden. Also bitte nie ein schlechtes Gewissen haben, wenn man seinen Kaffee nebenbei und ohne Aufmerksamkeit trinkt. Wie und wie oft man etwas bewusst machen möchte, ist jedem selbst überlassen.


Wie halte ich meine Aufmerksamkeit im Jetzt?


Schaffe neue Erinnerungen, neue Erfahrungen und lerne. Lebe ihm hier und jetzt. Fordere und fördere dein Gehirn.

Musst du nun auch einen Blog eröffnen oder ein Buch schreiben? Gleitschirmfliegen oder den Job kündigen, um die Welt zu bereisen?

Nein! Es sind kleinen Dinge, die du ändern kannst, um deinem Gehirn neue Erlebnisse und neuen Lernstoff zu liefern. Füttere es mit Dingen, die in deinen Alltag passen:

  • Du könntest mal auf einem anderen Weg zur Arbeit fahren. Anstelle der Autobahn die Landstraße nutzen. Lass dir Zeit, um bewusst die Landschaft wahrzunehmen. Bist du im Büro angekommen, denke noch mal an die Fahrt. Erinnerst du dich, wie du ins Büro gekommen bist?

  • Lass am Abend mal das Fernsehen aus und ließ stattdessen ein Buch.

  • Leg bei deinem morgendlichen Kaffee die Zeitung oder das Handy zur Seite und schau aus dem Fenster. Nimm alles bewusst wahr, was du siehst und hörst.

  • Wenn du immer mit den gleichen Kolleg*innen zur Kantine gehst, verabrede dich auch mal mit anderen.

  • Konzentriere dich beim Essen auf den Geschmack der Speisen, auf die Konsistenz.

  • Mach eine Yoga-Ãœbung, die deine Balance herausfordert. Zum Beispiel "der Baum". Man steht hier auf einem Bein und muss sich zu Anfang sehr konzentrieren, um nicht umzufallen. In diesem Moment ist deine Aufmerksamkeit im Jetzt.

  • Führe ein Dankbarkeitstagebuch. Schreib jeden Abend 3-4 Dinge auf, für die du an diesem Tag dankbar bist.

  • Bist du Rechtshänder, schreib mal mit links. Und lach über das Ergebnis.

  • Atme! Nimm drei bewusste Atemzüge. Spüre wie sich der Brustkorb hebt und senkt, wie der Atem in der Nase kitzelt und was du sonst noch an deinem Körper wahrnimmst.

  • Lerne etwas Neues, dass dich interessiert und dir Freude macht.

  • Besuche oder telefoniere mit Freunden und Verwandten, die du lange nicht mehr gesehen hast.

  • Wenn du Wasser liebst, probiere neue Sportarten, wie das SUP (stand up paddeling). Da Wasser und Board ständig in Bewegung sind, fordert auch das deine gesamte Aufmerksamkeit. Zumindest am Anfang.

  • Erstelle dir eine Liste mit Dingen, die du gerne machen möchtest und mach sie!


Finde also etwas, das du immer gleich machst und mach es einfach mal anders, probiere etwas neues aus und mach das alles bewusst. Vor allem: Bleib neugierig!


Mein Handy fand ich übrigens später im Büro in meiner Laptoptasche. Als ich mit der Suche anfing, hatte ich es schon längst eingepackt.



Willst du tiefer in das Thema eintauchen?



6 Ansichten0 Kommentare

Aktuelle Beiträge

Alle ansehen
Beitrag: Blog2_Post
bottom of page