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Nachruf auf meine Kaffeemaschine

Aktualisiert: 30. Mai 2022



Wäre ich ein Flugzeug, bräuchte ich Kerosin. Wäre ich ein Auto, Benzin, Diesel, Strom oder Wasserstoff. Und als Büromensch habe ich auch einen Treibstoff: Kaffee!

Meine Kaffeemaschine ist mir heilig. Sie hat mir vor einigen Jahren eine wichtige und traurige Erkenntnis gebracht und mich zuverlässig durch die lange Zeit im Homeoffice begleitet. Aber das hier ist eine Art Nachruf und ein Dankeschön. Nach fast 20 Jahren hat sich mein Methusalem in die Ewigkeit des Wertstoffhofes verabschiedet.




Stromausfall! Schon wieder. In dieser Woche hatten wir das schon vier Mal. Den Grund haben wir bisher noch nicht gefunden. Da ich von Strom keine Ahnung habe (ich bin Industriekauffrau) frage ich meinen Nachbarn um Hilfe. Der kann nämlich alles. Er kommt auch prompt vorbei, zuerst klemmt er mir mein Kochfeld ab, baut mir die Mikrowelle und den Backofen aus, um dann festzustellen, dass die nichts damit zu tun haben.


Erst ein paar Tage später komme ich dem Phänomen selbst auf die Schliche, es ist meine heiß geliebte Kaffeemaschine. Als ich die Arbeitsplatte unter ihr putzen will und sie etwas verschiebe, entdecke ich eine kleine Pfütze, die sich unter ihr gebildet hat.


Im Nachbarort gibt es einen Fachhandel für Haushaltsgeräte und dort bringe ich sie hin. Der Eigentümer selbst nimmt sich ihrer an und fragt mich, wann sie zum letzten Mal in der Wartung gewesen sein. Ich schaue ihn verwundert an und mir fällt ein, dass sie noch nie von zu Hause weg war. Ich habe immer ordentlich die Entkalkungs- und Reinigungsprogramme durchlaufen lassen und das war es auch schon.

Zwei Tage später ruft mich der Techniker an. Er hat die Maschine nur mal richtig entkalkt und einen Schlauch ersetzt. Einen Kurzschluss konnte er merkwürdigerweise gar nicht finden.

Mir war das recht und eigentlich egal, denn ich hatte meine Maschine wieder zu Hause und die Stromausfälle waren vorbei.



Unser Kennenlernen


Ich erinnere mich noch genau, wie wir uns das erste Mal trafen. Mein Mann und ich standen im Mediamarkt in der Abteilung für Kaffeemaschinen und warteten auf einen Kundenberater. Eine Maschine war ein Vorführmodell und so bot uns der Berater einen Probekaffee an. Wir probierten und waren vom Geschmack direkt begeistert und von dem Modell schnell überzeugt. Billig war sie nicht, aber wir wollten uns nach dem ganzen Stress mit dem Umbau unseres Hauses etwas Schönes gönnen. Also lief der Berater ins Lager, um uns eine original verpackte Maschine zu holen. Im Regal war sie nämlich nicht mehr zu finden.

Nach einer gefühlten Ewigkeit kam er zurück und teilte uns mit, dass nichts mehr da wäre. Da sie das Modell aber aus dem Programm nehmen würden, könnten wir auch das Vorführmodell haben - zu einem reduzierten Preis natürlich.

Er bot uns die Maschine dann tatsächlich zur Hälfte des Ursprungspreises an und da mussten wir nicht lange überlegen.

Glücklich über dieses Schnäppchen kam sie an den Platz und stand 19 Jahre an derselben Stelle.


Erinnerungen an schöne Feiern

Wenn wir Gäste hatten, stand sie irgendwann im Mittelpunkt durch eine einfache Frage: Wollt ihr Kaffee?

Am Anfang wurde der Kaffee von mir oder meinem Mann zubereitet, aber wenn unsere Gäste sahen, wie einfach das mit der Maschine ging, wollten sie das oft selbst übernehmen. Mit einem Knopfdruck erledigte sie alle Schritte automatisch. Sie konnte auch Espresso und Cappuccino zubereiten. Wobei tatsächlich 99 Prozent Kaffee verlangt wurde.

Eines Tages stand mein Neffe in der Küche und ich wunderte mich, dass er mit seinen 17 Jahren schon Kaffee mag. Als er den dritten Kaffee zubereitete, frage ich ihn, ob er nicht warten will, bis er den ersten getrunken hat, sonst werden die beiden anderen doch kalt. "Tante, ich trinke gar keinen Kaffee. Aber es macht so Spaß mit der Maschine Kaffee zuzubereiten".





Der Tag der Erkenntnis


Mein Mann und ich kauften uns die Maschine, als wir in unser Haus zogen. Wir entwickelten mit ihr ein Ritual. Jeden Morgen machte der, der zuerst in der Küche war, zwei Kaffee und wir standen dann kurz zusammen, um zu quatschen. Das fand ich schön, denn danach gingen wir beide arbeiten und sahen uns erst abends wieder.


An diesem besagten Morgen schien die Sonne, die Vögel zwitscherten und ich war früh auf den Beinen. Ich stand also in der Küche und gerade hatte ich zwei herrlich duftende Tassen Kaffee gezogen, als mein Mann die Küche betrat. Ich hielt ihm strahlend und gut gelaunt seine Tasse hin. So, wie er sie am liebsten trank: Schwarz.


Aber er wies mich zurück, er wolle keinen Kaffee trinken. Als ich ihn besorgt fragte, ob der Magen mal wieder schmerzt, verneinte er und erklärte, er wolle nie wieder Kaffee trinken, denn dann bekommt man eine schöne Haut.


Ich war sprachlos, enttäuscht und entsetzt, denn meine weibliche Intuition ließ mich die Bedeutung hinter diesen Worten erkennen. Mir fiel ein, dass er im Bad inzwischen länger brauchte als ich und während dieser Gedanken sah ich zu, wie er ins Auto stieg und davon führ, ohne Kaffee getrunken zu haben. Er war zu diesem Zeitpunkt 46 Jahre alt und die schöne Haut wollte er nicht für mich, sondern für eine Andere. Kurze Zeit später sollte sich meine Vermutung bestätigen. Sie war 22 Jahre alt und hatte sicher eine schöne Haut.



Das zweite Leben der Methusalem Maschine


Ich habe mal recherchiert, wie lange ein Kaffeevollautomat im Durchschnitt hält. Es sind gerade mal 5 Jahre! Daher ist der Vergleich mit Methusalem - der fast 1000 Jahre alt wurde - stimmig. Die 40 Euro für ihre Reparatur gab ich gerne aus und es lohnte sich, denn sie funktionierte wie am ersten Tag. Ich ging sorgsam mit ihr um, kontrollierte aber auch ab und zu den Raum unter ihr. Alles blieb trocken und ich war glücklich.


Bis zum nächsten verhängnisvollen Tag zwei Monate später.


In der Küche stehen ein paar Teenager - wir hatten Besuch über Nacht - und schauen amüsiert auf den Boden. Als ich nachfrage, was denn da Interessantes zu sehen sei, schauen sie mich belustigt an.

Da ist eine Pfütze auf dem Boden und wir überlegen, ob das Katzenpippi ist? Also schaue ich mir die Pfütze etwas näher an und bemerke, dass es kein Katzenpippi ist. Die Flüssigkeit ist klar, also Wasser.

Meine Katze ist unschuldig! Das sieht man ihr auch an, oder?




Haben die Kinder etwas verschüttet? Sie verneinen und während ich mit einem Putzlappen den Boden trockne, höre es tropfen.

Und da sehe ich es. Ein Rinnsal läuft über die Arbeitsplatte und ergießt sich auf den Boden. Das Wasser läuft unter der Kaffeemaschine heraus und das kontinuierlich und wohl schon längere Zeit.

Oh nein, lieber Methusalem. Ist jetzt deine Zeit gekommen? So lange begleitest du mich schon und du hast mir mit deinem Koffein-Treibstoff durch die Zeit von Lockdown und Homeoffice geholfen.


Ich wische das Wasser weg und stelle die Maschine auf ein Handtuch. Das Wasserfach ist leer und ich fülle Wasser für eine einzige Tasse ein. Mal sehen, ob sie noch funktioniert.

Und siehe da: Ich höre wie das Mahlwerk die Bohnen mahlt, ich höre, wie das Wasser gezogen wird und wenig später kommt herrlich duftender Kaffee zum Vorschein.

Aber ein gutes Gefühl habe ich nicht. Mein Vollautomat ist inkontinent und er funktioniert mit Strom. Wasser und Strom? Die Kombi gefällt mir nicht. Also stöpsel ich die Maschine aus und steige für heute auf löslichen Kaffee um, der mich an Camping oder die Angelnächte mit meinem Mann erinnern. Auch mal schön.


Zeit für den Abschied


Kann man das zu einer Maschine sagen, sie ist inkontinent? Ich selbst kann da zum Glück nicht aus Erfahrung sprechen, erwarte aber, dass auch mich das irgendwann packt. Ein kleiner Nieser und dann schwups...

Nun ja. Es gibt Beckenbodentrainings, werde ich dann mal versuchen, wenn es so weit ist.

Und mein heiß geliebter Kaffeevollautomat? Beckenbodentraining hilft leider nicht weiter und auch der Techniker empfiehlt mir, mich von ihr zu verabschieden. Das Frühwerk ist wohl nicht mehr so ganz in Ordnung und jeder, der einen Kaffeevollautomaten besitzt, weiß, dass es das Herz der Maschine ist. Und ziemlich teuer zu ersetzen. Gut bei meinem Modell sowieso keine Frage, da gibt es keine Ersatzteile mehr.


Also nehme ich sie mit nach Hause. Lege wieder ein Handtuch unter und probiere es einfach. Der Strom bleibt mir erhalten, aber das Handtuch muss ich immer wieder austauschen, da es vollgesaugt ist mit Wasser.

Ich beschließe, die Maschine zu behalten, bis ich die Bohnen aufgebraucht habe. Nach zwanzig Jahren höre ich, wenn die Bohnen im Fach fast leer sind. Eines Morgens ziehe ich mir ganz bewusst den letzten Kaffee, genieße ihn und ziehe den Stecker. Ich mache ein letztes Foto von ihr (das seht ihr hier).

An diesem Tag kommt zum Nachbarn, der mir damals den Backofen ausbaute, ein Schrotthändler und er nimmt die Maschine mit. Einfach so ohne großen Abschied. Mein Schwiegersohn trägt sie aus der Tür und ich schaue ihr nach.


Mein Kaffeevollautomat ist stolze 19 Jahre alt geworden und hat damit das durchschnittliche Alter anderer weit hinter sich gelassen. Ihre Seele (für mich ist sie weiblich) ist nun im wohlverdienten Ruhestand oder dem Kaffeevollautomaten-Himmel. Mögen ihre Bauteile wiederverwertet werden und anderen Elektrogeräten neues Leben schenken.


Die Kaffeemaschine überlebte übrigens alle Affären, Trennung, Scheidung und sogar meinen Mann. Danke, du warst mir 19 Jahre treu. Länger als mein Ehemann :-)
















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