"Ein tolles Kleid trägst du heute, steht dir ausgezeichnet".
"Deine Präsentation war toll, du warst offensichtlich gut vorbereitet"
"Wie diplomatisch du dem unfreundlichen Herrn geantwortet hast. Bewundernswert, das könnte ich nicht"
Wie reagierst du?
- ach, das ist doch nichts besonderes
- du wirst verlegen und weißt nicht, was du sagen sollst
- übergehst das Kompliment und beginnst ein anderes Thema
Erkennst du dich in solchen Reaktionen wieder? Wenn ja, kennst du wahrscheinlich nicht deine Stärken und reagierst unsicher. Aber das lässt sich ändern!
Ein Kompliment ist nichts anderes als ein Lob. Warum fällt es uns schwer, unsere Stärken und Leistungen zu akzeptieren und es anzunehmen? Ein Fakt ist, dieses Phänomen ist überwiegend weiblich, wie folgende Szene aus einem Workshop zeigt:
Wir Frauen sind unter uns, auch unsere Moderatorin ist eine Frau und die Stimmung ist vertraut und wir reden offen miteinander. Dann stellt sie eine interessante Frage:
Was sind eure Stärken, worauf seid ihr stolz?
Schweigen und irritierte Blicke. Als die Moderatorin das merkt, lacht sie. Sie kennt diese Reaktion aus rein weiblichen Gruppen bereits. Das ist scheinbar ganz typisch für uns.
Sie lässt aber nicht locker und bohrt weiter: Was sind eure Stärken?
Es ist ungewohnt über eigene Stärken zu sprechen, da wir sie oft gar nicht kennen. Wir Frauen neigen oft dazu, uns oft nicht zu wichtig zu nehmen. Frei nach dem Motto: „Bescheidenheit ist eine Zier“. Und dieser Spruch aus vergangener Zeit, zeigt deutlich, woher diese Bescheidenheit kommt. Aus der Erziehung. Es ziemte sich nicht für eine junge Dame zu stolz zu sein oder im Vordergrund zu stehen.
Meine Eltern waren bereits etwas fortschrittlicher. Aber ich erinnere mich noch gut, wie ich 1990 meiner Oma erzählte, dass ich mein Abitur bestanden habe. Als erste in der Familie. Ihre Antwort:
„Ja, ja, aber es wird jetzt Zeit, dass du arbeitest und deinen Eltern nicht weiter auf der Tasche liegst“.
Da kam kein Lob, kein Zeichen des Stolzes, nichts. Die Generation meiner Großeltern konnte mit Bildung nichts anfangen. Ich würde sowieso heiraten und dann wäre so ein Abi doch voll unnötig. Bescheidenheit und ein blank geputzter Boden als Garant um einen Ehemann zu bekommen. Bildung hilft da nicht.
Ich bin froh, dass sich das wandelt. Es gibt heute Frauen, die Farbe bekennen und stolz ihre Erfolge präsentieren. Spontan fällt mir Tijen Onaran ein, eine Unternehmerin, Investorin und Feministin. Ihr Markenzeichen: Farbe bekennen! Und das macht sie nicht nur mit ihren Klamotten.
Nicht alle sind so mutig wie sie und wenn die Frage nach unseren Stärken kommt, ist unser Kindheit-Ich oft zu präsent und ermahnt uns zur Bescheidenheit. Wir machen uns selbst klein, um andere groß wirken zu lassen, um sie nicht in Verlegenheit zu bringen.
In Bewerbungen sehe ich große Unterschiede zwischen den Geschlechtern und den Generationen. Während junge Männer einfach alles können, ist es Frauen wichtig, ihre Skills ehrlich anzugeben. Das hat einen negativen Effekt auf Stellenbesetzungen. Frauen wollen alle Punkte erfüllen und bewerben sich nicht, wenn sie eine gewünschte Eigenschaft nicht haben. Bei den jungen Männern frage ich mich oft, warum die sich auf die Stelle bewerben, wenn sie nichts von den gewünschten Skills besitzen.
Falsche Bescheidenheit und übertriebene Selbstüberschätzung sind also krasse Gegensätze. Schauen wir doch mal, was es bringen kann, wenn du deine Stärken kennst.
Warum sollte ich meine Stärken kennen?
Wenn wir unsere Vorlieben und Stärken reflektieren, lernen wir uns kennen, können manche Verhaltensweisen und Reaktionen besser verstehen. Und das kann folgende Auswirken haben:
Stärken des Selbstbewusstseins: Wir sind stolz auf unsere Stärken, weil wir wissen, was wir können.
Berufliche Karriere: Wir können uns einen Beruf oder eine Tätigkeit aussuchen, die zu unseren Stärken passt.
Zufriedenheit und Erfüllung: Berücksichtigen wir unsere Stärken und leben danach, können wir im Einklang mit uns Selbst leben, anstatt etwas zu tun, was uns keinen Spaß macht und wir uns zu zwingen müssen.
Effizienz: Konzentrieren wir uns auf unsere Stärken, erledigen wir Aufgaben schneller.
Beziehungen: Verbessern sich, wenn wir unsere Stärken kennen. Denn dann verstehen wir unsere Rolle innerhalb von Familie oder auch beruflichen Teams.
Persönliche Entwicklung. Wenn wir unsere Stärken gezielt weiterentwickeln, kann uns das auf verschiedenen Ebenen weiterbringen.
Und natürlich können wir besser mit Komplimenten umgehen!
Ein Beispiel: Ich bin ein kreativer Mensch, das wurde bereits in mehreren psychologischen Tests bestätigt. Das bedeutet, dass ich an Aufgaben anders herangehe, weil ich eine andere Sicht darauf habe. Es bedeutet auch, dass ich nicht gerne nach festgelegten Prozessen arbeite. Und ich lasse mich leicht ablenken, da ich vielseitig interessiert bin.
In dem großen Unternehmen, in dem ich arbeite, gibt es aber viele dieser festgelegten und starren Prozesse. Ich kann da nicht so kreativ sein, wie ich gerne möchte.
Also lebe und fördere ich in meiner Freizeit meine kreative Seite und schreibe Blogartikel und arbeite an meinem zweiten Buch. Das ist ein wunderbarer Ausgleich für meine Arbeit und dieses Glücksempfinden, dass ich beim Schreiben empfinde, hält lange genug an, um auch in der Arbeit zufriedener zu sein.
Die starren Prozesse der Arbeit bleiben natürlich, sind aber durch meine kreative Freizeit viel erträglicher geworden.
Wie finde ich meine persönlichen Stärken?
Die Sicht nach Innen
Um herauszufinden, worin deine Stärken liegen, kannst du den Blick erst einmal nach innen wenden. Dabei hilft die Beantwortung folgender Fragen:
-Wofür werde ich oft gelobt?
-In welchen Themen werde ich oft um Rat gefragt?
-Was fällt mir leicht?
Vielleicht bekommst du oft gesagt, dass dein Essen lecker schmeckt. Dann kannst du offensichtlich gut kochen. Freunde fragen dich nach Ratschlägen, welche Aktien sie kaufen sollen, dann kennst du dich wohl in Finanzen gut aus.
Du planst mit links Kindergeburtstage? Dann bist du wohl ein Organisationstalent!
Ich muss zugeben, dass diese Erkenntnisse nicht von heute auf Morgen kommen. Viele Dinge fallen uns nicht auf, sind normal und selbstverständlich für uns. Andere machen wir selten, wie der Kindergeburtstag. Also etwas Geduld, ergänze deine Stärken-Liste einfach immer wieder um neue Punkte.
Wissenschaftlicher Ansatz
Die Positive Psychologie gibt es seit etwa 20 Jahren. Dieser noch junge Zweig beschäftigt sich auch mit den Stärken des einzelnen Menschen.
So hat die Uni Zürich einen Fragebogen entwickelt, mit dem du deine Stärken herausfinden kannst. Ich habe das natürlich bereits getestet und da ich mich schon einige Zeit mit meinen Talenten und Stärken beschäftige, über das Ergebnis nicht überrascht. Es hat mich in meiner Annahme bestätigt.
Hier findest du diesen kostenlosen Fragebogen, für den du etwa 20 Minuten benötigst. Immerhin sind es 230 Fragen. Du unterstützt mit diesen Daten die Forschung der Universität, selbstverständlich ist alles anonym:
Nach außen schauen
Für mich ist das eine spannende Möglichkeit, um eigene Stärken zu finden. Und auch die, mit den größten Überraschungen.
Stelle 5 oder mehr Personen, folgende Fragen:
Was kann ich deiner Meinung nach, besonders gut?
Was schätzt du an mir?
Worauf sollte ich stolz sein?
Besonders langjährige Freunde, Kollegen oder auch die Familie, liefern hier manchmal überraschende Antworten. Überraschend, weil unsere Selbstwahrnehmung oft von dem Fremdbild abweicht. Und gerade wir Frauen schätzen uns oft selbst schlechter ein, als es unsere Mitmenschen tun.
Und ja, wir müssen nachfragen, denn von selbst kommen solche Sichtweisen eher selten. Das liegt an unserer Erziehung, an unserer Gesellschaft, die eher Leistungs- und Fehler orientiert ist. Wir schauen eher auf unsere Schwächen.
"Ich bewundere deinen Blick für die Kleinigkeiten. Du freust dich über die erste Knospe des Frühlings, wie ein kleines Kind".
„Ich schätze Ihre Meinung, da ich weiß, dass ich von Ihnen eine ehrliche Antwort bekomme“.
„Wenn hier das Chaos ausbricht, bist du der ruhende Pol. Das finde ich jedes Mal erstaunlich".
Das waren drei Komplimente, aus meinem privaten und beruflichen Umfeld. Und alle drei waren Augenöffner für mich, denn ich selbst hatte das nie so wahrgenommen. Alle drei wurden vor vielen Jahren ausgesprochen, aber sie haben einen bleibenden Ausdruck hinterlassen.
Die Stärken daraus: Ich freue mich auch über kleine Dinge.
Ich lasse mich nicht so schnell aus der Ruhe bringen und ich bin ehrlich.
Von wem willst du ein Feedback haben? Schick es am besten per WhatsApp, damit haben alle Zeit, um sich ihre Antwort zu überlegen.
Dankbarkeit
Auch mit dieser Methode kannst du deine eigenen Stärken finden Die Methode der Dankbarkeit praktiziere ich schon länger und sie hat mich einmal gerettet. Aus einem tiefen Loch, toxischen Beziehungen, allgemeiner Negativität und dem Gefühl nichts wert zu sein und nichts zu können.
Mit Dankbarkeit könnt ihr euren Fokus verändern und erkennen, welche Stärken bereits in euch liegen.
Ich habe schon einen Beitrag dazu begonnen, den ihr demnächst lesen könnt.
Dort werde ich genau erklären, wie das funktioniert.
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Umgang mit Komplimenten
Kommen wir zum Anfang zurück. Wie gehen wir nun mit einem Kompliment um? Wie reagieren wir angemessen darauf? Ohne verlegen zu werden, ohne Ausreden zu finden.
Mein Chef machte mir früher oft Komplimente über alles Mögliche. Über ein schönes Kleid, über eine gut organisierte Veranstaltung. Mir war das immer peinlich und ich hab seine Komplimente ins Lächerliche gezogen. Bis er eines Tages darauf erwiderte, dass er mir keine Komplimente mehr macht, wenn ich so merkwürdig darauf reagiere.
Ich hatte ihn wohl gekränkt, denn sein Lob war aufrichtig. Daraufhin habe ich meine Reaktion überdacht und geändert.
Und eine angemessene Reaktion ist einfach:
Du bedankst dich*
Du freust dich
*Danke, schön, dass es dir aufgefallen ist.
*Danke für das Kompliment, darüber freue ich mich.
*Dankeschön!
Hier noch der Link zu Tijen Onaran's Insta: https://www.instagram.com/tijen.onaran/ Inspirierend und folgenswert.
Gerne dürft ihr eure eigenen Erfahrungen und weitere Ideen in den Kommentaren teilen. Ich habe die Kommentarfunktion mittlerweile freigeschaltet. D.h. ihr. könnt auch ohne Anmeldung kommentieren.